Männliche Prägung

Der erste Kontakt zu einem Mann ist für ein Mädchen im Normalfall der zu ihrem Papa.

Meine erste Erinnerung an ihn ist, dass er im Wohnzimmer saß und ich schreiend in meinem Bettchen lag.
Ich schrie mich heiser, bis endlich wer auftauchte. Es war, wie immer, meine Mutter. Geschwister hatte ich nicht.

Als Kind hat mein Papa mit mir herumgetobt. Ich habe es geliebt. Wir hatten die wildesten Verfolgungsjagden. Hat er mich erwischt, wurde ich ausgekitzelt. Das war die beste Zeit, an die ich mich erinnern kann.

Als ich älter wurde, wurde ich zurückhaltend mit spontanen Reaktionen.
Mein Papa konnte sehr aufbrausend sein.
Ich peilte erst vorsichtig die Lage, wenn ich etwas sagen wollte. Sehr früh überlegte ich mir, in welcher Tonlage und mit welchen Worten ich mich am besten ausdrückte.
Vater tat meine Wünsche entweder mit einer wischenden Handbewegung ab oder er stellte klar:
„Es geht hier nicht alles nach deinem Kopf.“

Ich verstand diese Antwort nie. Ich war knapp zehn Jahre alt und gab meinen Ideen Ausdruck. Ich plapperte munter meine Meinung.
Stets vermittelte er den Eindruck, dass so vorgegeben ist, dass er bestimmte, was sein Frauenhaushalt tat oder nicht tat.

Als Teenager wurde es gefährlich, wenn ich mitdachte und Lösungsvorschläge brachte. Papa tat das schnell ab mit:
„Du weißt immer alles besser.“
„So einfach, wie du meinst, ist das Leben nicht.“

Ich nahm aus diesen Erfahrungen mit: Mitdenken ist offensichtlich nicht erwünscht und macht Probleme. Das Ergebnis dieser Überzeugung war, dass ich mein Gehirn in diesem Punkt ausschaltete.

Mit sechzehn Jahren verlor ich mich immer mehr in eine Esssucht. Ich wurde immer schwerer. Mein Gewicht ging einfach nicht mehr runter.
Zudem befand ich mich in der Pubertät. Das war belastend für mich.
Ich verkroch mich immer mehr in mich.

Ich war im Gymnasium. Meine Überlebenstaktik war, still sein, nicht auffallen, Klappe halten. Ich erlebte die Schulzeit am Gymnasium als absolut ungerecht. Es gab Lehrer, die drangsalierten, die sich null für eine Persönlichkeit ihrer Schüler interessierten.
Sie waren da, um Unterricht zu geben. Ich hatte den Eindruck, dass sie da vorne standen, ihren Job ausführten und dann so schnell wie möglich wieder verschwanden.
Das war ja wahrscheinlich auch ihr Job. Sie hatten nicht den Auftrag, erzieherisch tätig zu sein.

Diese Gymnasialzeit war für mich absolut kalt und emotionslos. Sie kroch sehr langsam dem Ende zu und ich arbeitete hauptsächlich an meinen Schwachstellen. Erschwerend kamen die Pubertät und meine Esssucht hinzu.

Verzweifelte Suche nach Hilfe

Meine Gedanken hingen ständig am Essen. Ich verkroch mich in meine Welt. Meine Freizeitbeschäftigung war es, Bücher, vor allem Psychologiebücher, zu verschlingen. Ich suchte nach Antworten, nach Hilfe.

Dann interessierte sich plötzlich ein Junge für mich! Ich lernt ihn außerhalb der Schule kennen. Es war für mich kaum zu glauben, dass er mich gut fand. Wir waren zusammen. Kurz. Er war so herzlich, so gut zu mir. Damit kam ich nicht zurecht. Ich liebte ihn nicht. Ich genoss nur, dass jemand da war, der mich gut fand. Nach kurzer Zeit beendete ich diese Freundschaft. Ich wollte seine Gefühle nicht ausnützen, wollte ihm nichts vormachen.

Zwei Jahre später traf ich meine erste große Liebe. Wow! Ich war hin und weg! Er war rücksichtsvoll, sehr einfühlsam. Er rüttelte mich wortwörtlich wach. Durch ihn öffnete ich mich den Menschen wieder. Damit auch meinen Emotionen. Der Gefühlsstau meines bisherigen Lebens löste sich und meine Empfindungen flossen aus mir heraus.

Das war zu viel für eine junge Beziehung. Er war mein ganzer Lebensinhalt, weil er mir die Freude am Leben wieder gab. Ich erdrückte ihn beinahe mit meinen Emotionsschüben.

Irgendwann war Schluss. Ich wurde ihm zu viel. Ich wusste und verstand das. Es war allerdings schlimm für mich. Krampfhaft suchte ich nach Wegen, anders mit mir und meiner Gefühlswelt umgehen zu können.

Diesem Jungen war ich zutiefst dankbar! Er hat mir gezeigt, dass es im Leben so viel zu entdecken gibt, dass es leicht und herrlich sein kann, auf der Welt zu sein. 

Veränderung

Diese ersten beiden Beziehungen zu Männern haben dazu geführt, dass ich vor allem zu Jungs Kontakt gesucht habe. Mein Männerbild wurde zusehends positiver. Und es war so herrlich anders wie das, was mir mein Vater mitgegeben hat.

Was wir erleben, prägt unsere Vorurteile, die wir unseren Mitmenschen gegenüber haben. Wir schnappen Eindrücke auf. Wir drehen, ja, verdrehen oft die Wahrheit in unsere eigene Realität, damit wir besser mit Situationen umgehen können.

Die gute Nachricht ist, dass wir unsere Perspektive verändern können. Das geht sowohl in eine positive wie auch in eine negative Richtung. Es liegt an uns, für welche Richtung wir uns entscheiden.

Umso mehr uns bewusst wird, dass wir das Drehbuch für unser Leben selbst schreiben können, umso freier und glücklicher fühlen wir uns.

 

Wo stehst DU?

Schreibst du dein Drehbuch schon selbst?

Schreib mir doch, wie du das machst. 🙂

 

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